29. Juli

Es ist eigentlich merkwürdig, dass uns keiner der Apostel und kaum irgendeiner der modernen Knechte Gottes menschlich so nahe steht und so durch und durch verständlich ist wie der jüdische König David, der doch beinahe 3.000 Jahre vor unserer Zeit unter ganz anderen äußeren Verhältnissen gelebt hat. Das ist der beste Beweis einer »ewigen«, durch keine Verhältnisse beeinflussten Wahrheit im Verkehr mit Gott, die sich auch in Zukunft gleichbleiben wird. Manche Lieder Davids, z. B. den 18. Psalm (Ps 18), können wir heute noch als unser eigenstes und innerstes Denken erklären, wenn es richtig mit uns steht. Diese einfach herzliche Weise des Umgangs mit dem allmächtigen Herrn über Leben und Tod hat dieser Mann eigentlich zuerst geübt und ist deswegen, bei sehr großen Fehlern, dennoch (wie schon sein Name sagt) stets ein "Liebling" Gottes geblieben. Keine angebliche »Religion« soll uns dieses Verhältnis wieder nehmen dürfen.

Sobald der Mensch sich von dieser durchaus möglichen Art der Verbindung mit Gott entfernt, gerät er leicht unter die Herrschaft seiner größten Feinde, der tierischen Sinnlichkeit oder des furchterregenden Aberglaubens. Beides wird in unserer nächsten Zukunft äußerst anschaulich werden. Denn alle zivilisierten Völker leben bereits unter den deutlichen Vorzeichen dieser »kräftigen Irrtümer«, nachdem sie durch die Periode des Materialismus und eines gewissen Größenwahns mit Rücksicht auf "unsere naturwissenschaftlichen Errungenschaften" den lebendigen Zusammenhang mit Gott großenteils eingebüßt haben.

Jer 2 19    Jer 3 15    Jer 3 22–25    Jer 4 3–6

In diese unerquickliche Periode eines scheinbar endlosen Suchens kommen wir jetzt zunächst. Darauf folgt dann aber ein neues Finden. Das heißt, die Völker werden erleben, was jeder Einzelne heute schon in sich durchzumachen hat.

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)