9. Dezember

Oftmals denkt man: Wenn es doch immer jemanden geben würde, der mit dem Christentum, wie Christus selbst es verstand, Ernst machen würde; der ein rechtes Beispiel sein wollte von einem einfach guten Menschen, einem Menschen, wie er auch in jetziger Zeit, eigentlich sogar besser und leichter als jemals zuvor, sein könnte. Dazu bräuchte es doch keine ungewöhnliche Begabung oder Bildung, noch weniger irgendeine bestimmte äußere Stellung. Mit wirklichem guten Willen und aufrichtigem, beständigem Suchen nach der Wahrheit könnte das jeder leisten, der Holzhacker so gut wie der beste Pastor, und damit seinen Nebenmenschen ein Licht auf ihrem Weg sein.

In der Tat ist nichts wahrer als das. Aber wenn du so denkst, begegnet dir vielleicht auch in etwas anderer Weise das, was dem König David in einem entscheidenden Augenblick seines Lebens geschah. Es sagt dir nämlich eine Stimme ins Ohr: »Du bist der Mann.« Tue du doch das, was du als so möglich und zugleich als so notwendig für unsere Zeit und für unser Volk ansiehst. Gib alle anderen Ziele auf, die dir selbst geringwertiger vorkommen und die von vielen anderen hinreichend versehen werden.

Warum soll es ein anderer tun, der es vielleicht nicht einmal sieht? Und du, der du es erkennst, willst dich davon entbinden lassen? – Nicht so. Tue diese deine allererste Pflicht und lass alles andere. Und tue sie von heute ab.

2 Sam 12 7

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)