31. August

Wie ein scharfer, tief einschneidender Pflug den Ackerboden so muss die Angst immer von neuem die stets nachwachsende harte Rinde unseres Herzens offenlegen. Nur dann kann ein neues fruchtbares Samenkorn der ewigen Wahrheit hineinfallen und dort Wurzeln schlagen. Ohne diesen Vorgang bleiben wir unempfänglich für die eigentlich wahren Dinge, die dem Leben wirklich zu Grunde liegen.

Mit viel Lebenserfahrung kommt man überhaupt dazu, ein ganz leidensfreies Leben nicht mehr zu wünschen. Das ist »der ewigen Ruhe Stand«. Hier auf Erden müssen uns Leiden vor unseren üblen Eigenschaften in Schutz nehmen, unsere beständigen Wächter sein, ja sogar die Eintönigkeit des Daseins beleben, die wir noch weniger gut ertragen würden.

Ausgang aus der Wüste
(5 Mos 2 7)

Wir haben nun genug gehasst;
Wir wollen endlich lieben!
Wirf ab, mein Herz, die letzte Last,
Die dir ist überblieben.

Wir sind nun übersatt der Spreu
Von bunten Erdenschätzen;
Dein Wille, Herr, und deine Treu
Soll uns fürbass ergehen.

Wir suchten Glück und Heimatland
In mancherlei Gestalten;
Das edle Perlein, das ich fand,
Das will ich nun behalten.

Wir haben nun genug gehasst;
Wir wollen endlich lieben!
Was du schon lang beschlossen hast,
Beginn es jetzt zu üben.

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)