1. September

Der Mensch wird durch zwei Dinge am wirksamsten von allem Guten abgehalten, Dinge, die wohl jeder schon das eine oder andere Mal selbst in seinem Leben erfahren hat: Wenn er im Begriff ist, etwas Böses zu tun, dann redet er sich ein, es sei gar nicht so schlimm, sondern würde von aller Welt so gemacht, und am Ende könne man deshalb doch ein guter Mensch bleiben. Und wenn er es getan hat, erscheint es ihm plötzlich unmöglich, noch umzukehren und Vergebung zu finden.

Besonders das Letztere muss stets bekämpft werden. Gott ist für jede Reue zugänglich, wenn sie auch noch so spät und nach noch so vielen Rückfällen erfolgt. Unser Herr stößt keinen von sich, der sich um Kraft oder Frieden an ihn wendet. Keinen sage ich noch einmal ausdrücklich und ohne Ausnahmen – keinen.

Jes 1 18    Jes 43 25    Jes 44 22    Jes 45 22    Jes 55 1–3
Ps 3    Joh 6 37    Mt 11 28-30

Das sind im Gegenteil später oft die Zuverlässigsten, denn sie haben das Elend des Genusslebens auf der einen und das Glück des Friedens auf der anderen Seite aus tiefer Erfahrung heraus kennengelernt und wissen, welches vorzuziehen ist.

Für mich hab ich mich ausbekümmert;
Ich hab für mich genug gelebt;
Der eigne Bau, er liegt zertrümmert,
Woraus ein neues Haus sich hebt.

Ein Haus, für Ewigkeit gegründet,
Das keine Zeitflut untergräbt,
Aus dem, von Himmelsglut entzündet,
Ein täglich Opfer aufwärts strebt.

Der Zorn ist aus – die Tür ist offen –
Die arme Seele ist befreit! –
Vor mir liegt ein unendlich Hoffen,
Und eine wundervolle Zeit!

(2 Mos 34 10)

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)