3. September

Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche. Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne. Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark. (2 Kor 12 7–10)

Was der Apostel Paulus in dieser Stelle seinen Pfahl im Fleisch oder den Satansengel nennt, der ihn mit Fäusten schlägt, ist wahrscheinlich nichts anderes gewesen als eine oft vorkommende Mutlosigkeit, die sich aus äußeren Ursachen nicht erklären lässt. Sie kann sich bis zu einer halb wahnsinnigen Angst vor etwas gar nicht in einer bestimmten Weise Vorhandenem steigern, ist oft aber auch eine wirkliche Vorahnung bevorstehender Übel.

Der beste augenblickliche Trost in solchen Augenblicken ist, sich mit dem Apostel bewusst zu bleiben, dass diese Schwachheit auch eine Stärke sein kann, nämlich dann, wenn sie die menschliche Empfänglichkeit und Willigkeit für die göttlichen Gebote vermehrt. Tröstlich ist auch das Bewusstsein, dass die Allergrößten unseres Geschlechts sie empfunden haben. Sie gehört mit in den Erziehungsplan jedes geistig hochstehenden Menschen.

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)