29. März

Manche etwas bequeme junge Leute möchten die religiöse Wahrheit – als die beste Art durch das Leben zu kommen – in einem kurzen Wort, gewissermaßen in einem Wahlspruch, ausgedrückt besitzen. Ich bezweifle, dass das Letztere möglich ist; denn das Leben hat Stufen und ist, wenn es richtig verläuft, eine allmähliche Entwicklung zu immer höheren Zielen und Einsichten. Wenn du aber für den Anfang so etwas haben willst, dann nimm Mt 6 33:

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.

Das ist das Sicherste, was es gibt, und wahrscheinlich noch niemandem misslungen, der es ernstlich versucht hat.

Die religiöse Wahrheit in einem kurzen Satz auszudrücken, ist die Absicht der Bekenntnisformeln, von denen das sogenannte Apostolische Glaubensbekenntnis noch heute allen christlichen Kirchen gemeinsam ist. Joh 17 3 ist dagegen eine von Christus selber herrührende Formel, die auch ganz genügt und jedenfalls weniger Streit verursacht hätte:

Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)