Seufzer
Ach komm mit deinem Segen,
Herr, meines Herzens Ruh;
Führ mich auf raschern Wegen
Dem edlen Ziele zu.
Die Welt ist mir vergangen;
Ihr’ Freud ist mir zu klein;
Das Sinnen ist gefangen;
Das Wirken macht mir Pein.
»Die Herberg ist zu böse«;
Der Sorgen sind zu viel;
Erscheine, Herr, und löse,
Was nicht mehr halten will.
Zu kräftig war dein Minnen;
Zu stark bist du als Freund;
Zwei Herr’n kann man nicht dienen;
Nun wird die Welt mir feind.
Die Bahn kann ich nicht lassen;
Die andre ist verfehlt;
Doch kann ich noch nicht fassen
Die Kraft der neuen Welt.
Fortwandern macht mir Sorgen;
Umkehren mag ich nicht;
Mich dürstet nach dem Morgen
Und deinem Gnadenlicht.
Wie lang noch ohn’ Behagen
muss ich im Dunkeln gehn?
O Herr, vernimm mein Klagen,
Und lass den Tag erstehn!
(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)