18. April

Manchmal kommt einem alles, was man jemals Philosophie oder Theologie genannt hat, als eine wahre Armseligkeit vor, als halbwahre Worte, die der Sache, die sie ausdrücken wollen, gar nicht auf den Grund zu gehen vermögen.

In dieser Verdunkelung alles menschlichen Wissens leuchten dann die Erfahrungstatsachen, die man aus dem eigenen Leben von einem wirklichen (und über alle diese Beschreibungsversuche hinaus großartigen) Gott besitzt, wie helle Sterne ewiger Wahrheiten, die unerschütterlich und über alle menschliche Interpretation erhaben sind.

Daraus allein entsteht der feste Glaube, aber auch ein tiefer Mystizismus, der von niemandem recht verstanden wird, der ihn nicht selbst besitzt. Anderen ist es eine »Torheit«, uns aber eine »Gotteskraft.«

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)