So führst du doch recht selig, Herr, die Deinen

(Lied Nr. 179 aus: Kleines Gesangbuch der evangelischen Brüdergemeine, Gnadau 1875)

  1. So führst du doch recht selig, Herr, die Deinen,
    ja selig, und doch meistens wunderlich!
    Wie könntest du es böse mit uns meinen!
    da deine Treu nicht kann verleugnen sich.
    Die Wege sind oft krumm und doch gerad,
    darauf du lässest deine Kinder gehn:
    Da pflegt’s oft wunderseltsam auszusehn;
    doch triumphiert zuletzt dein hoher Rat.

  2. Was unsre Klugheit will zusammenfügen,
    teilt dein Verstand in Ost und Westen aus;
    was mancher unter Joch und Last will biegen,
    teilt deine Hand frei über all’s hinaus.
    Die Welt zerreißt, und du verknüpfst in Kraft;
    sie bricht, du baust; sie baut, du reißest ein:
    Ihr Glanz muss dir ein dunkler Schatten sein.
    Dein Geist bei Toten Kraft und Leben schafft.

  3. Was all’s will sein, gilt nichts in deinen Augen;
    was nichts ist, hast du, großer Herr, recht lieb.
    Der Worte Pracht und Ruhm mag dir nicht taugen:
    Du gibst die Kraft und Nachdruck durch den Trieb.
    Die stolzen Pharisäer lässt du stehn
    und hältst dich zu den Sündern, sprichst sie frei:
    Wer weiß, was öfters deine Absicht sei?
    Wer kann der tiefsten Weisheit Abgrund sehn?

  4. O Herrscher! Sei von uns gebenedeiet,
    der du uns tötest und lebendig machst.
    Wenn uns dein Geist der Weisheit Schatz verleihet,
    so sehn wir erst, wie wohl du für uns wachst.
    Bewahr mich drum, dass ich dich meistre nicht;
    brich ganz entzwei den Willen, der sich liebt:
    Schenk mir ein Herz, das sich nur dir ergibt
    und tadelt nie dein himmlisches Gericht.

  5. Du kennst, o Liebe! wohl das schwache Wesen,
    die Ohnmacht und der Sinnen Unverstand.
    Man kann uns fast an unsrer Stirn ablesen,
    wie es um schwache Kinder sei bewandt.
    Drum greifst du zu und hältst und trägest sie,
    brauchst Vaterrecht und zeigest Muttertreu.
    Wo niemand meint, dass etwas deine sei,
    da hegst du selbst dein Schäflein je und je.

  6. Bald scheinst du uns was harte anzugreifen,
    bald fährest du mit uns gar säuberlich:
    Geschichts, dass unser Sinn sucht auszuschweifen,
    so weist die Zucht uns wieder hin auf dich.
    Da gehn wir dann mit blöden Augen hin;
    du lässest uns, wir sagen Bess’rung zu:
    Drauf schenkt dein Geist dem Herzen wieder Ruh
    und hält im Zaum den ausgeschweiften Sinn.

  7. So zieh mich dann hinein in deinen Willen;
    und trag und heb und pfleg und führ dein Kind!
    Dein inn’res Zeugnis soll den Zweifel stillen;
    dein Geist die Furcht und Lüste überwind;
    kein fremdes Feuer sich in mir entzünd,
    das ich vor dich in Torheit bringen möcht,
    und dir wohl gar so zu gefallen dächt!
    Ach, selig ist, wer dein Licht sucht und findt.

  8. Es muss die Kreatur mir immer dienen,
    kein Engel schämet der Gemeinschaft sich.
    Die Geister dort, vollend’t durch dein Versühnen,
    sind meine Brüder und erwarten mich.1
    Wie oft erquicket meinen Geist ein Herz,
    das dich und mich und alle Christen liebt!
    Ist’s möglich, dass mich etwas noch betrübt?
    Komm Freudenquell! weich ewig aller Schmerz!

Text: Gottfried Arnold (1666–1714)


  1. Hebr 12 22–23 

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