1. April

Große Gedanken wachsen nur auf einem Herzensgrund, den große Schmerzen tief aufgefurcht haben. Wo das niemals stattgefunden hat, bleibt eine gewisse Oberflächlichkeit des Menschen Art und Eigenschaft, eine Mittelmäßigkeit, die sich vergeblich auf Stelzen emporheben möchte, seien diese religiöser, wissenschaftlicher oder philosophischer Art. Aber wer hätte den Mut, diesen fruchtbaren, aber auch zugleich furchtbaren Weg selbst einzuschlagen, wenn er nicht dazu genötigt würde, und wer würde ohne die leitende Hand Gottes an den Abgründen vorbeikommen, die ihn, oft auf Haaresbreite, begrenzen!

Aus großen Tiefen

Nun kommt ihr, Meeresflut und bittrer Tod;
Jetzt stehst du wirklich vor der Hölle Toren;
Der alte Mensch liegt in der letzten Not;
Der neue atmet schmerzvoll, kaum geboren.

Es ging der Weg in fabelhaftes Land,
Ins Ungeheure jenseits aller Schranken;
Wir wandelten an eines Abgrunds Rand
In Nacht und unaussprechlichen Gedanken.

Eins fühl ich jetzt, dass die Entscheidung fällt;
Denn dieser Weg führt in des Wahnsinns Grenzen;
Es wandte längst sich hinter mir die Welt,
Und Pfeile ernt ich jetzt statt Lorbeerkränzen.

Ein Herzensseufzer ist noch all mein Heil:
Dir hab ich mich, mein Heiland, übergeben;
Dein ist der Streit; dir wird der Ruhm zuteil;
Nun töte, Herr; dann auf zu deinem Leben!

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)