21. Oktober

Resümee zu Hiob

Hiob findet zunächst innere Ruhe, indem er sich entschließt, an Gott als seinem Freund unter allen Umständen festzuhalten. Diesen Entschluss muss er aber noch ganz im Glauben fassen, bevor er Gott sieht; sonst könnte er von seinem Leiden noch nicht ohne Schaden befreit werden. Er darf dann die Gerechtigkeit Gottes in der gesamten Weltregierung, gegen die Guten wie gegen die Frevler, nicht mehr bezweifeln, auch wenn er sie nicht sieht. Und er muss zuletzt sein eigenes Leiden innerlich annehmen als etwas Gutes, das von Gott kommt und jedenfalls zu seinem Heil gereicht, ohne dass er darüber eine andere Erklärung bekommt als die, dass auch hierin ein Ratschluss Gottes vorliegt. Nach dieser unbedingten Unterwerfung unter die Gerechtigkeit Gottes steht – wie ein Kommentator richtig sagt – »der vollen Gnadenerweisung Gottes gegen den bewährten Dulder nichts mehr im Wege: Der Kampf ist ausgekämpft, und der Preis des Sieges kann ihm gereicht werden.«

Die Rechtfertigung gegen die Menschen, auch die sogenannten Freunde, die ihn verkannt und vernachlässigt haben, bereitet Gott dann nachträglich dem innerlich Erhobenen und Gerechtfertigten auch noch zu. Er selbst braucht sich nicht darum zu kümmern; er kommt vielmehr in die erwünschte Lage, dass Gott sie zwingt, ihn aufzusuchen und sich seiner Fürbitte zu versichern, ohne die er ihnen nicht vergibt. So etwas kommt auch heute noch häufig vor.

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)