1. Oktober

Leben hält man nur auf zweierlei Weise kräftig aus: Entweder indem man mit den Wölfen heult und sich mit ihnen um einen Anteil am vorhandenen (aber meist nicht für alle ausreichenden) Lebensgenuss resolut herumbeißt. Das ist das Leben, wie es gewöhnlich ist, der "Kampf ums Dasein" des Materialismus. Oder indem man den Geist erhebt zu einer wirklichen, aufrichtigen und freudigen Gottesfreundschaft, die diesen ganzen Kampf entbehrlich macht und neben der auch keinerlei Trübsinn oder Mutlosigkeit im Herzen bestehen bleiben kann.

Was dazwischen liegt, liefert immer ein mangelhaftes Ergebnis, und das beständige Klagen darüber, wie es so viele Leute täglich üben, ist das Dümmste von allem, weil man es ändern kann. In einem unaufhörlichen Kampf mit Gott und gleichzeitig mit der Welt zu stehen, reibt viel zu früh auf. Dennoch ist das heute das Leben desjenigen Teils der Menschheit, der weder ganz schlecht noch entschieden und energisch gut sein will. Dante versetzt diese Leute in die "Vorhölle": einen beständig düsteren Zustand eigener Friedlosigkeit, missachtet durch die beiden kräftigeren Parteien.

Von Recht und Gnade werden sie verschmäht:
Doch still von ihnen; schau und geh vorüber.
(Inferno 3)

Entschließe dich wenigstens rasch und unwiderruflich, zu denen auf keinen Fall zu gehören.

Jes 61 1–3    Jes 61 10    Hebr 10 35–39    Offb 3 12    Offb 3 15    Offb 21 7–8    GBG 978

Tag- und Nachtgleiche

Zerbrochen ist das Werkzeug nun;
Das Schwerste ist getan,
In nichts versunken all mein Tun;
Wann, Herr, fängt deines an?
Aus tiefem Traume hebt empor
Allmählich sich ein Bild.
Aus weiten Fernen klingt’s ins Ohr:
»Halt aus, bald ist’s erfüllt.«
Du bist nicht Tod, und Leben nicht;
Du bist ein still Vertrau’n.
Du bist nicht Nacht und noch nicht Licht.
Süßschauernd Morgengrau’n.

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)