21. Januar

Es bedarf keiner besonderen Stunden, Zeiten, Stellungen oder Gebärden zum Verkehren mit Gott. Im Gegenteil: Die einfachste Art des Sprechens, oder auch bloß des Denkens, ist dazu vollkommen genügend, und viele äußere Veranstaltungen sind oft eher hinderlich. Das Beste ist der beständige Gedankenzusammenhang mit unserem Herrn, den der Apostel Paulus das »Beten ohne Unterlass« nennt, den manche »Beter« aber gar nicht kennen. 1 Thess 5 17

Man muss nicht bloß einfach, aufrichtig und ohne jeden Formalismus bitten (was bei unserer religiösen Erziehung schon eine recht seltene Kunst geworden ist), sondern auch die Antwort hören können. Dazu gehört ein feines, vom Geräusch des Tages und der Eigenliebe ganz unbehindertes inneres Ohr.

Viele sogenannte »Beter« dagegen sagen nur ihren Spruch her und gehen nachher davon oder tauchen den Löffel in die Suppe, als wenn gar nichts Wirkliches geschehen oder eine Antwort überhaupt zu erwarten wäre.

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)