16. Januar

Dass man in der Gnade Gottes steht, wird gewöhnlich an zwei Dingen deutlich bemerkt werden: zunächst an einer oft ganz plötzlich und ohne äußere Veranlassung eintretenden ganz überirdischen Freudigkeit; sicherer aber noch daran, dass diesen Menschen nie etwas gelingt, was mit Egoismus verknüpft ist (was bei tausend anderen der Fall ist), dagegen Schweres und Ungewöhnliches merkwürdig wohl und leicht.

Im Übrigen ist es müßig, darüber nachzudenken, ob man diese Gnade besitzt, oder nicht. Wer sie aufrichtig wünscht und bereit ist, sie allen anderen Lebensgütern vorzuziehen, der bekommt sie, ohne alle sonstigen Opfer oder Veranstaltungen; ja er hat sie vielmehr schon, und die oben genannten Zeichen werden auch folgen, so dass er bald nicht mehr daran zweifeln kann.

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)