11. April

Der beste Schutz gegen die Eitelkeit ist der Hochmut, der sie verachtet. Gegen den Hochmut aber, der ein viel gefährlicherer Feind ist, schützt nur die Nähe Gottes. Vor dessen Angesicht versinkt alle menschliche Bedeutung in Nichts, und alle menschlichen Unterschiede schrumpfen auf ein Unbedeutendes zusammen.

Die Menschen sind am meisten bereit anzuerkennen da, wo sie ein ruhiges, festes Selbstbewusstsein ohne Eitelkeit sehen, das ihr Lob weder provoziert, noch verachtet. Beides reizt sie zum Widerstand oder wenigstens zur Zurückhaltung.

Ein geringer Grad von Bescheidenheit, der durch Selbsterziehung erworben wird, lehnt Ehrenbezeugungen ab, obwohl er sie im Grunde noch immer gern sieht und vermisst, wenn sie nicht angeboten werden; ein größerer weicht ihnen aus Vorsicht für das eigene wahre Wohl aus; einem noch größeren sind sie in Wahrheit gleichgültig, weil sie ihn nicht mehr bewegen.

Diejenigen, die Ehren ablehnen mit dem lebhaften Wunsch, die Ablehnung möge bekannt werden, sind noch gar nicht bescheiden, leben jedoch meist im süßen Glauben, dass man es nicht bemerke.

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)