8. April

»Du sollst dir kein Bildnis machen, noch irgendein Gleichnis.« Sollte das nicht auch von dem Ebenbild Gottes auf Erden, dem Menschen, gelten und daher alle Bildnisse, Fotografien, Selbstbiographien und dergleichen mit einschließen? Jedenfalls dienen diese Dinge der menschlichen Eitelkeit mehr, als sie sonst nützen. Von den allerbedeutendsten Menschen – Abraham, Moses, den Aposteln und selbstverständlich Christus – besitzen wir keinerlei solche Versinnlichung ihres Wesens. Wahrscheinlich zu ihrem Vorteil, denn meistens wird auch heute noch unsere Vorstellung von einem Menschen durch sein Bild oder seine Lebensbeschreibung nicht erhöht, sondern eher vermindert.

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)